Dass Sparkassenkunden bei anhaltender Niedrigzinsphase mit der Kündigung ihres Prämiensparvertrags rechnen mussten, war bekannt. Wie sich jetzt zeigt, tricksten Sparkasse und Volksbank aber auch bei den Zinsen: So beinhalteten viele Sparverträge variable Zinsanpassungen. Mit Hilfe bestimmter Zinsänderungsklauseln konnten Banken nach eigenem gusto Zinsen senken. Solche Klauseln sind unwirksam, wenn die Zinsanpassung nicht an einen festen Referenzzinssatz gekoppelt ist. Betroffene Kunden können zum Teil deutliche Zinsbeträge nachfordern.
Unter gewissen Voraussetzungen darf die Sparkasse einen Prämiensparvertrag kündigen. Der BGH (Urt. v. 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18) hat aber entschieden, dass die Kündigung nur zulässig ist, wenn bei einer ansteigenden Prämienstaffel die höchste Prämienstufe erreicht ist.
Einer unzulässigen Kündigung kann widersprochen, und der Vertrag weitergeführt werden. In jedem Fall sollte die Kündigung zum Anlass genommen werden, die Zinszahlungen einer Überprüfung zu unterziehen. Inzwischen ist klar, dass Banken über die Laufzeit Zinsen unzulässig nach unten gesenkt haben.
Bei vielen Sparverträgen wie dem „Prämiensparen flexibel“ der Sparkassen, wurden die Verbraucher im Unklaren gelassen, wie sich die variablen Zinsen ändern würden. Zinsänderungen wurden etwa durch Aushang in der Geschäftstelle bekannt gemacht. Bei solchen intransparenten Zinsanpassungen bestehen vielfach noch heute Zinsansprüche.
Zinsansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, ab dem zeitpunkt, zu dem der Prämiensparer Kenntnis von dem Anspruch erlangt (vgl. § 199 Abs. 1 BGB). Das OLG Dresden hat in einer Musterfeststellungsklage gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig (Az. 5 MK 1/19) entschieden, dass die Verjährungsfrist für Zinsforderungen über die gesamte Laufzeit erst nach Beendigung des Vertrages zu laufen beginnt.
Die Zinsansprüche können leicht mehrere Tausend Euro betragen. Noch ist nicht abschließend geklärt, wie genau die Zinsen nachzuberechnen sind. Es deutet sich aber an, dass jeder Sparvertrag individuell zu behandeln ist. Es muss ein Referenzzinssatz gewählt werden, der dem Charakter des Sparvertrages möglichst nahe kommt.
Zinsänderungsklauseln
Schon 2004 urteilte der BGH (Bundesgerichtshof, Az. XI ZR 140/03), dass variable Zinsänderungsklauseln in den Geschäftsbedingungen intransparent, und damit unwirksam sein können.
Das Urteil richtet sich gegen Zinsanpassungsklauseln die für den Kunden nicht kalkulierbar sind, und den Banken einseitig Änderungen der Zinsen erlauben. Für den Verbraucher muss zumindest erkennbar sein, nach welchen Maßgaben sich Zinsen entwicklen. Inhaber von Sparplänen und Prämiensparverträgen werden unzulässig benachteiligt, wenn nicht klar ist, an welchen Bedingungen die Zinsanpassungen festgemacht werden. In dem entschiedenen Fall lautete Klausel in dem Combi-Sparvertrag der Sparkasse:
Verbraucherzentralen und BaFin haben insbesondere folgende Fehler in Zinsänderungsklauseln identifiziert:
- Fehlende bzw. nicht eindeutige Angabe eines Referenzzinssatzes
- Missachtung des Äquivalenzprinzips
- Kein Hinweis auf rechnerisch möglichen Negativzins
Demnach müssen sich Änderungen des Zinssatzes bei langfristig angelegten Sparverträgen nach einem konkreten Referenzzinssatz richten. Als Referenzzinssatz kommen bestimmte von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zinssätze in Frage. Das Verhältnis zu dem gewählten Referenzzinssatz muss bei jeder Änderung des Zinssatzes gewahrt werden (Äquivalenzprinzip). Der anfänglich für den Prämienparvertrag vereinbarte Zinssatz wird also analog zu diesem Referenzzinssatz erhöht oder gesenkt. Nur so ist eine transparente Zinsanpassung gewährleistet.
Verbraucherschützer decken System auf
Kleinsparer und Banken waren also bereits 2004 gewarnt. Dennoch wurden weiter Sparverträge mit variablen Zinsen, und einseitigen Änderungsklauseln an die Kunden gebracht. Aufklärung brachten schließlich die Marktbeobachtungen der Verbraucherzentralen.
Aus einer nicht-veröffentlichten Untersuchung der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass auch in den Jahren 2014 bis 2016 noch intransparente Zinsanpassungsklauseln verwendet wurden. Näheres ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Bundestag. Demzufolge hatte die BaFin vor allem die fehlende Überprüfbarkeit, und fehlende Kopplung an einen Refernzzinssatz bemängelt. Diese Mängel sollen für neu abgeschlossene Sparverträge inzwischen abgestellt sein.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat dem Thema eine umfangreiche Marktbeobachtung gewidmet. Auch die BaFin beschäftigt sich in ihrem Journal vom Februar 2020, erneut mit den Folgen rechtswidriger Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen. Die BaFin warnt Finanzinstitute außerdem, dass die kommentarlose Weiterverwendung von unwirksamen Klauseln ein Missstand ist, bei dem ein Eingriff möglich ist.
Musterfeststellungsklagen gegen Sparkasse Leipzig und Erzgebirgssparkasse

Nach Einführung der Musterfestellungsklage in Deutschland, im Zusammehang mit der PKW-Diesel-Abgas-Affäre im Jahr 2018 sind bislang erst sieben solcher Klagen anhängig. Das Bundesamt für Justiz listet u.a. eingereichte Musterfeststellungklagen gegen die Erzgebirgssparkasse und die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig auf.
Ziel dieser Klagen ist die Feststellung, dass Sparkassen bei Verwendung einer fehlerhaften Zinsanpassungsklausel zu Zinsnachzahlungen verpflichtet sind. Inzwischen soll am 04.02.2020 ein weiteres Verfahren gegen die Sparkasse Zwickau anhängig gemacht worden sein. Zur Abwehr der Klagen haben die Sparkassen u.a. die auf dem Gebiet der Kapitalanlegerklagen erfahrene Kanzlei PwC Legal mandatiert. Die Banken düften den Rechtsstreit durchaus ernst nehmen. Es drohen Zinsnachforderungen für viele Prämiensparverträge, von denen man sich eigentlich lösen will.
Vor dem OLG Dresden, welches für diese Musterfestellungsklagen zuständig ist, wird in erster Linie zu klären sein, wie sich nachzufordernde Zinsen berechnen. Während sich mit den Fehlern in Zinsänderungsklauseln bereits einige Gerichte beschäftigt hatten, sollen die Verfahren Klarheit bei anderen Fragestellungen bringen: Etwa ob Ansprüche bei Prämiensparverträgen, die vor Jahren geschlossen wurden zu verjähren drohen. Oder welcher Referenzzinssatz für die Nachberechnung heranzuziehen ist. Einen ersten Verhandlungstermin hat das OLG Dresden (Az. 5 MK 1/19) für den 22.04.2020 anberäumt. Verbraucherschützer, Kleinsparer und Sparkassen werden die Verfahren aufmerksam verfolgen.
*Update: Überraschend hat das OLG Dresden bereits am 22.04.2020 ein Urteil in der Sache gesprochen. In einer Pressemitteilung hat das Gericht mitgeteilt, dass die Verbraucherzentrale Sachsen in weiten Teilen recht bekommen hat. Der Anspruch auf Zinsnachzahlung verjährt erst nach Beendigung des Prämiensparvertrages mit einer Frist von 3 Jahren. Die Sparkassen haben bislang eingewandt, die Verjährung von Zinsansprüchen wird ab der jährlichen Gutaschrift der Zinsen auf dem Sparbuch gerechnet.
Nicht abschließend geklärt wurde dagegen, wie der Zinsanspruch der Prämiensparkunden zu berechnen ist. Die Zinsberechnung ist in jedem Fall an einen Referenzzinssatz zu koppeln. Der BGH hat hierzu klargestellt, dass ein Referenzzinssatz zu wählen ist, der dem Charakter des jeweiligen Prämiensparvertrags möglichst nahe kommt. Bei Prämiensparverträgen handelt es sich um langfristige Anlagen. Das gilt auch dann, wenn eine Kündigungsfrist von nur 3 Monaten vereinbart ist. In Betracht kommen daher vor allem Zinsreihen für langfristige Sparanlagen.
Nachberechnung der Zinsen
Eine fehlerhafte Zinsänderungsklausel führt zunächst lediglich dazu, dass eben diese Klausel nicht anwendbar ist, so die BaFin. Dies habe jedoch nicht automatisch eine höhere Verzinsung zur Folge. Vielmehr muss die hypothetische Überlegung angestellt werden, wie eine Klausel zwischen Sparkasse und Kunde sinnvollerweise formuliert worden wäre. Bei dieser eher fiktiven Frage, wird man aber die Wertung des BGHs berücksichtigen müssen. Dieser hatte entschieden, dass nur bei nachvollziehbarer Anknüpfung an einen Referenzzinssatz die nötige Transparenz gewahrt ist.
Verbraucherzentralen bieten derzeit Zinsnachberechnungen gegen ein Entgelt an.
Eine kostenfreie Ersteinschätzung ist hier möglich.
In vielen Fällen lohnt der Aufwand: Einige Sparkassen, Volksbanken und Raiffeisenbanken zeigen Entgegenkommen. Die Nachzahlung kann mehrere Tausend Euro umfassen, dabei ist eine außergerichtliche Einigung keine Seltenheit. Bei laufenden Prämiensparverträgen sollte zudem eine angemessene Zinsanpassung mit der Sparkasse vereinbart werden.